Es geht endlich weiter!
Mi., 08. Jul. 20, Camaret-Sur-Mer, Tag 17, 591 sm von Stavoren
10 Tage haben wir in Cherbourg auf das passende Wetterfenster nun gewartet, um den Sprung über die Biscaya anzugehen. Tagelange Wetteranalysen ergaben, dass seit unserer Ankunft in Cherbourg ein Tief nach dem anderen durch den Ärmelkanal zog. Dabei wären die angesagten Windstärken gerade noch machbar gewesen, aber die Windrichtung wäre genau unsere Fahrtrichtung, nämlich SW gewesen. Von daher war abwarten angesagt.
Für Montag sollte sich ja, wie ich berichtete, das Wetterfenster aufmachen. Nach dem Durchziehen des vorerst letzten Tiefs, sollte der Wind rasch am Morgen von SW auf NW drehen und dabei auf 15 kn (4 Bft.) abnehmen. Dann den Tag über eher abnehmen und sich auf 300° einpendeln. Unser Plan, von Cherbourg aus direkt über die Biscaya nach A Coruna zu gehen, haben wir wegen der Windprognose für die Biscaya-Passage aufgegeben. Für den Start waren noch gute Windbedingungen vorausgesagt, aber der Wind sollte noch in der darauffolgenden Nacht immer weiter nachlassen und sich dann bei 3-5 kn! einpendeln. Viel zu wenig, um unsere BIJOU voranzutreiben. Von daher sieht unser Plan jetzt so aus. Zunächst bis Camaret-Sur-Mer uns durchzukämpfen und dann mit einem wesentlich besseren Wetterfenster, voraussichtlich am Freitag, über die Biscaya zu gehen.
Für unseren Start am Montag um 10:30 Uhr – passend zur Tide – sollten wir 3 Stunden später am Cap de la Hague sein. Dort, mit Erreichen des Stillwassers, versprach es, im Race eine flotte Fahrt mit dem Strom für gut 6 Stunden zu werden.
Die Realität sieht leider manchmal etwas anders aus. Sowohl im Guten als auch im Schlechten. Das angesagte Hoch hatte sich offensichtlich wohl etwas verspätet. Als wir die Leinen in Cherbourg gelöst hatten, wehte es mit 18 kn aus NW noch wie angesagt. Unter Motor, mit einsetzendem mitlaufendem Strom gegen den Wind, hielten wir mit 5 kn Fahrt auf das Cap de la Hague zu. Der Seegang war trotz Wind mit 20 – 25 kn gegen Strom erstaunlich moderat. Mit uns gingen weitere 8 Segler, die meisten von denen hatten trotz Gegenankurs das Groß gesetzt, was mich etwas verwunderte. Unser Plan war, wenn wir in das Race (Meerenge zwischen dem Cap de la Hague und der Insel Alderney) einfahren, im Stillwasser die Segel zu setzen. Jetzt sind wir eine Erfahrung reicher. Etwa 5 sm vor dem Cap bauten sich innerhalb von Minuten ca. 3m hohe Wellen auf. Die BIJOU musste richtig dagegen ankämpfen und die eine oder andere Welle lief bis zum Mast durch. Dennoch waren wir angenehm überrascht, wie sanft die BIJOU immer wieder vom Wellenberg ins nächste Wellental taucht.
Jetzt wurde uns klar, dass man bei dieser rauen See keine Segel setzen kann. Also mit Motor weiter, bis sich die Lage beruhigt. Die Fahrt unter Maschine war dann auch gar nicht so schlimm, wir kamen auch gut voran. Insbesondere konnten wir unseren gesteckten Kurs halten. Denn der Wind hatte noch immer nicht auf NW gedreht und somit hätten wir unseren Kurs nur mit Kreuzschlägen halten können.
Geplant war westlich, um Guernsey zu segeln. Da, wie gesagt der Wind immer noch aus W wehte, haben wir unseren Plan geändert und Kurs auf den “Little Russel” gesetzt, also östlich zwischen Herms und Guernsey durch. Mit dem neuen Kurs sahen wir jetzt die Möglichkeit, endlich die Segel zu setzen. Und dann passierte das Malheur: Das Großfall hatte sich beim Segelsetzen durch die starke Schiffsbewegung und dem Wind um die Dampfer- und Deckslichter am Mast gelegt. Das Segel ließ sich weder hoch noch runterziehen (Hinweis an Jürgen und Martin: Nachdem wir den Hafen in Helgoland verlassen hatten und wir das Groß setzen wollten, hatten wir das gleiche Problem. Nur war das Segel noch nicht gesetzt. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis wir alles klariert hatten). Kein großes Problem, denn wir konnten auch so unter Maschine gut weiterfahren.
So reifte bei uns eine weitere Planänderung: Zwischenstopp auf Guernsey, den Hafen St. Peter Port anlaufen. Das Fall in aller Ruhe am Steg klarieren, auf die nächste Tide warten und dann unsere Fahrt weiter fortsetzen. Dagegen sprach, auf den Kanalinseln greift eine 14-tägige Quarantäne und sollten die Wettervorhersagen irgendwann dann doch zutreffen, sollte der Wind abends fast ganz einschlafen. Das mit der Quarantäne, so hatten wir von anderen Seglern gehört, bezieht sich nur auf das Betreten der Inseln, Seglern soll es gestattet sein, einen Zwischenstopp einzulegen, wenn sie ihr Boot nicht verlassen. Aber eine Garantie dafür hatten wir nicht.
Der Vorschlag kam dann von Geli. Ich gehe in den Mast und klariere das Fall und dann können wir durch den Little Russel segeln und hoffen , dass der Wind etwas länger als vorhergesagt anhält und uns möglichst weit zu unserem Ziel trägt. Den Gedanken fand ich schon sehr reizvoll, hatte aber Bedenken, dass das bei dem Wellengang und dem Wind eine gute Idee ist. Kurze Diskussion, wer geht in den Mast, warten auf bessere Bedingungen, wurde von meiner Co-Skipperin abrupt beendet. “Ich gehe jetzt hoch!”
Bootsmannstuhl angelegt und ab in den Mast. In wenigen Minuten war alles klariert und Geli, mit ein paar blauen Flecken wieder sicher im Cockpit. Ich bin richtig stolz auf meinen Schatz, weiß ich doch, dass ich mich in allen Situationen auf sie verlassen kann. Wir sind schon ein gutes Team! Die Belohnung kam dann anschließend. Mit herrlichem Segelwind, jetzt durch die Kursänderung auch aus der richtigen Richtung und dem noch mitlaufenden Strom, sind wir mit bis zu 11 kn an Guernsey vorbeigerauscht. Auf die wohl möglichen Probleme mit der Hafenbehörde wollten wir uns jetzt sicherheitshalber gar nicht einlassen und was den Wind angeht, haben wir ein bisschen spekuliert, so dass er eben später auf NW dreht und länger anhält.
Das mit dem Wind ist tatsächlich weitestgehend aufgegangen. Als wir an der Südspitze Guernsey unseren Kurs absteckten, konnten wir tatsächlich hoch am Wind hervorragend segeln. Mit 8-9 kn FdW (Fahrt durchs Wasser) sind wir bis 5:00 Uhr morgens gut vorangekommen und haben ordentlich Meilen zurückgelegt. Dann kippte der Strom und der Wind nahm kontinuierlich ab. Jetzt musste wieder der Jockel ran, der uns die restlichen Meilen nach Camaret-Sur-Mer geschoben hat.
Bei strahlendem Sonnenschein haben wir nach knapp über 200 sm (FdW) und 178 sm (FüG) – für die Nichtsegler: Die Differenz kommt durch die Tidenströmung zu Stande) sicher in Camaret.Sur-Mer festgemacht.
Übrigens: Nach dem Passieren des berühmten Leuchtturms auf der Südwestspitze der Insel Ouessant sind wir im Atlantik angekommen. Unser erster Ozean, den wir für die nächste Zeit befahren werden. Möge er sich uns immer von seiner guten Seite zeigen. Wir sind gespannt, wie sich Segeln auf dem Atlantik anfühlt.