460 sm hoch am Wind

460 sm hoch am Wind

21. Juni 2024 Aus Von Hans

20.06.2024, Marina Lagos, Tag 1462, 7684 sm

Am Morgen des 17.06.2024 um 9:45 Uhr haben wir die Leinen in Porto Santo gelöst und Kurs auf die Algarve genommen. Vor uns lag eine Strecke von 460 sm. Der vorhergesagte Wind sollte während der 3–4-tägigen Überfahrt aus dem 4. Quadranten kommen, wobei je westlicher um so besser. Nun ist aber das Wetter leider kein Wunschkonzert und so müssen wir es nehmen, wie es kommt.

Der Start war, wie vorhergesagt erst einmal sehr gemächlich. Mit 2 Bft. ging es unter Maschine hinaus in den offenen Atlantik. Dennoch haben wir das Großsegel und die Genua gesetzt, um dieses bei zunehmendem Wind und Welle nicht tun zu müssen. Gegen 14:00 Uhr konnten wir dann endlich den Jockel abstellen.

Im weiteren Verlauf des Tages nahm der Wind dann langsam aber stetig zu. Um Mitternacht entschieden wir, bei 5-6 Bft. das 1. Reff zu setzen. Dennoch hatte es die BIJOU eilig und mit 6 – 7 kn zog sie auf unserer Kurslinie entlang. Um 6:00 Uhr legte der Wind weiter zu und wir refften die Genua auf 50% ein. Auch das sollte nicht reichen, und so setzten wir das 2. Reff ins Großsegel. Bei jetzt ständigem Wind über 20 kn waren wir mit 7 kn ausreichend schnell. Die BIJOU lag mit leichter Krängung sehr stabil und hatte kaum Druck auf dem Ruder.

Der zweite Morgen begann dann mit:

  • 11:00 Uhr Genua ausreffen
  • 13:30 Uhr Genua reffen auf 50%
  • 15:45 Uhr Genua ausreffen
  • 17:30 Uhr 3. Reff ins Großsegel
  • 19:40 Uhr Genua reffen auf 40%

Da soll noch einer sagen, Langfahrtsegeln ist langweilig.

Auch sind wir jetzt nach über 10 Jahren segeln mit unserer BIJOU um eine Erfahrung reicher. Haben wir doch zum ersten Mal das 3. Reff eingebunden! Die BIJOU mit ihren über 18 Tonnen Gewicht läuft auch bei Windstärken deutlich über 20 kn damit sehr schnell und dabei fast aufrecht hoch am Wind. Für den 2. Segeltag hatten wir ein Etmal von 150 sm und das bei sehr defensiver Herangehensweise.

Diese Segelstellung haben wir dann bis zu unserem Ziel nicht mehr geändert. Der Wind blies mit 6-7 Bft. aus NW – N mit Wellen von 3- 4 m Höhe. Wir haben mit dieser Segelstellung es als sehr angenehm an Bord empfunden.

Als wir dann am Morgen des 4. Segeltages um 8:00 Uhr das östliche Ende des Verkehrstrennungsgebiet (TSZ) vor Cabo Vicente erreichten, brauchte es noch einmal unsere ganze Aufmerksamkeit. Denn hier herrscht starker Schiffsverkehr. Im Schnitt passieren hier über 300 Schiffe  am Tag das Cabo Vicente von Nordeuropa kommend ins Mittelmeer und umgekehrt.

Wir haben bewusst nicht den direkten Kurs auf Lagos abgesetzt, denn dann hätten wir das TSC kreuzen müssen. Und das heißt für uns, die Großschifffahrt hat absolut Vorrang und wir sind angehalten das TSZ im rechten Winkel zu kreuzen, bei einer Breite von 20 sm.

Kurs der BIJOU rotbraune Linie (gelbe Kurslinie – Lagos – Lanzarote, Juni 2023)

Da wir als Wegpunkt das südöstliche Ende des TSZ gesetzt hatten, änderten sich die Vorfahrtsregeln zu unseren Gunsten. Jetzt hatten wir als Fahrzeug unter Segel Wegerecht. Mehrere Male waren wir mit den Großen Containerfrachtern und Supertankern auf Kollisionskurs. Obwohl ich mir sicher war, dass wir auf deren Schirm waren, habe ich sie auf VHF angefunkt. Umgehend kam der Recall und wir konnten uns so immer auf sehr freundliche Weise abstimmen. Die großen Pötte änderten den Kurs sofort, um im Abstand von 1 sm hinter unserem Heck vorbeizugehen.

Auch war uns der Wind auf den letzten 50 sm hold. Laut Vorhersage hätten wir den letzten Rest der Strecke genau gegenan gemusst, also unter Maschine. Gut, dass wir nicht sofort die Segel geborgen haben. Denn mit jeder Meile mehr spürte ich, dass der Wind wieder nach Westen drehte. Mit einem kleinen Schwenker konnten wir so bis kurz vor die Küste segeln. Als wir dann in die Landabdeckung kamen, schlief der Wind ein und die letzten 5 sm bis Lagos musste dann der Jockel noch einmal mithelfen.

Nach 78 Stunden Überfahrt und 460 sm im Kielwasser lagen wir um 16:00 Uhr fest in der Marina Lagos. Glücklich über die gelungene Fahrt, die ohne besondere Vorkommnisse ablief, gab es das wohlverdiente Anleger-Bier.

Das Wetterfenster hat genau gepasst. Tags darauf drehte der Wind wieder auf Nordost. Unsere defensive Herangehensweise hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass wir eine spürbar angenehme Fahrt hatten.

Zwei Dinge muss ich aber noch erwähnen:

  1. Die Orcas hatten kein Interesse an der BIJOU oder machten woanders Sommerurlaub
  2. Jetzt haben wir endlich Sommer – strahlend blauer Himmel bei um die 30°C, nur das Wasser ist mit 19°C noch etwas kalt.

Jetzt freuen wir uns darauf, die wunderschöne Algarve noch einmal bereisen zu dürfen.