Sardinien – Die Überfahrt

Sardinien – Die Überfahrt

14. September 2021 Aus Von Hans

10./11. September 21, Sardinien, Tag 448, 3007 sm von Stavoren 

Unsere geplante Abfahrtszeit von Mahon hatten wir auf 8:00 Uhr festgelegt. Die Nacht über hatte ich einen unruhigen Schlaf, wie so oft vor langen Überfahrten. Das Wetter machte mir schon Sorgen. Auf der einen Seite war es die Chance mit beherrschbarem Wind die fast 200 sm lange Strecke sicher zurückzulegen, auf der anderen Seite war die Wetterlage von einem Tiefdruck bestimmt, das sehr viel Gewitterpotential in sich trug. Mehrmals stand ich in dieser Nacht im Cockpit und sah mal sternenklaren Himmel und das andere mal heftige Blitze zucken. Als wir um 7:00 Uhr aufstanden, um uns für den Start vorzubereiten, war der Himmel tief verhangen mit dunklen Wolken. Der Wind war fast eingeschlafen. Ein erneutes Wetterrouting zeigte, dass das nach NE ziehende Tiefdruckgebiet sich etwas verspätet hatte. Nur auf seiner Rückseite zu starten machte für uns wirklich Sinn. So beschlossen wir zusammen mit der Crew der GLEC unsere Abfahrtszeit auf 12:00 Uhr zu verschieben.

Warten ist in diesen Momenten eine herausfordernde Angelegenheit. Auf der einen Seite möchte man los, auf der anderen warten, bis die Bedingungen optimal sind. Um 11:00 Uhr riss der Geduldsfaden. Wind war endlich aufgekommen, der Himmel sah nicht mehr so finster auf – also Anker auf.

An der Ansteuerungstonne Mahhon wurden die Segel gesetzt und Kurs auf Südsardinien gesteckt. Mit flotter Fahrt, raumen Wind mit Stärke 5-6 Bft rauschten wir durch den Tag. Hin und wieder zogen pechschwarze Wolken auf und urplötzlich bildete sich aus solch einem Ungetüm eine Wasserhose. Spektakulär anzusehen aber auch immer verbunden mit der Hoffnung, dass sie an einem vorbeizieht. Die Windhose entschied sich dafür, uns in Ruhe zu lassen, und löste sich allmählich auf.

Langweilig wurde es auf dieser Überfahrt nicht. Allein an diesem ersten Tag haben wir 10 mal die Segel ein- und ausgerefft. Vom 1. Reff ins 2. Reff und wenn der Wind noch weiter zunahm, haben wir auch noch die Genua gerefft. So bekommt man Übung und damit ist man auch schneller dabei, die Segel der Windstärke anzupassen.

Als um 20:00 Uhr die Dämmerung einbrach und wir konstant um die 25 kn Wind hatten, sind wir auf saftyfirst-Modus gegangen, haben die Handbremse angezogen und sind in die Nacht gerauscht. Die BIJOU lag wunderbar im Ruder und pflügte durch die wild umhertanzenden Wellen. Was uns aber in dieser Nacht größte Sorge bereitete, waren die vor und hinter uns deutlich sichtbaren Gewitter. Insbesondere die vor uns liegenden waren mehr als nur Wetterleuchten. Heftige Blitze erhellten den Nachthimmel. Sehr beruhigend war, dass direkt über uns die Sterne funkelten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie erleichtert wir waren, dass uns die ganze Nacht hindurch dieser Sternenhimmel begleitet hat. Um 2:45 Uhr haben wir dann die Spanisch-Italienische Grenze überfahren. Jetzt sind wir in Italien!

Mit dem aufziehenden Tag waren dann auch die Gewitter weitestgehend abgezogen. Zusammen mit dem Licht des Tages fiel jetzt auch deutlich die Anspannung ab. Aber der Wind war immer noch sehr launisch. Einreffen und Ausreffen wechselten im Stundentakt. Das Gute daran war, dass wir ordentlich vorankamen. Mit teilweise über 7 kn näherten wir uns unserem Ziel Sardinien. Erst gegen 17:00 Uhr konnte man schemenhaft Land am Horizont erkennen. Die letzten Meilen zogen sich und wir waren überglücklich als um 19:30 Uhr nach 32 Stunden! Fahrt der Anker auf der Sardinien vorgelagerten Insel S. Pietro fiel.

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie gut das Anlegerbier geschmeckt hat 😊.